Donnerstag, 29. November 2012

Vortragsreihe: Kritik in der Krise

"Kritik in der Krise” ist eine Vortrags- und Diskussionsreihe, die sich von Dezember 2012 bis Mai 2013 mit aktueller Gesellschaftskritik auseinandersetzt.


Die Veranstaltungsreihe will dabei zweierlei leisten. Zum Einen soll ein kritischer  Blick auf die Krisenerscheinungen der letzten Jahre geworfen werden, um damit Fragen der politischen Ökonomie unserer Zeit näher zu beleuchten. Andererseits ist seit Jahren eine Krise der Gesellschaftskritik zu beobachten, die nicht unabhängig von ökonomischen Entwicklungen verstanden werden kann. Wenn etwa neoliberale Steuerungsmechanismen zur Umgestaltung des Bildungswesens führen, wie es in den letzten Jahren in Deutschland geschehen ist, dann schlagen diese Entwicklungen auch direkt auf das kritische Bewusstsein zurück. Vor diesem Hintergrund werden in den einzelnen Veranstaltungen unterschiedliche sich als kritisch verstehende Denkansätze vorgestellt sowie deren Reichweiten und Grenzen diskutiert.
„Kritik in der Krise” schließt an die Veranstaltungsreihe „Kritische Theorie der Gesellschaft“ an, die von April bis Juni 2012 in Augsburg stattgefunden hat. Hierbei lag der Schwerpunkt auf der klassischen „Kritischen Theorie“,  wie sie in den 1930er bis 1960er Jahren unter anderem von Denkern wie Adorno, Horkheimer und Marcuse entwickelt wurde. Wenn „Kritik in der Krise“ nun den Fokus auf regulationstheoretische oder poststrukturalistische Ansätze legt, stellt die klassische „Kritische Theorie“ doch zugleich einen Referenzpunkt für die Diskussion solcher neuerer sich als kritisch verstehender Ansätze dar.  Die Veranstaltungen richten sich dabei keinesfalls an ExpertInnen, sondern sollen einen einführenden Charakter besitzen. Unser Anliegen ist eine gemeinsame Schärfung des Verfahrens der Kritik, um schrittweise eine Kritik der Krise zu entwickeln, die den Anforderungen unserer Zeit standhält.

Mit freundlicher Unterstützung von GEW Kreisverband Augsburg und Bezirksverband Schwaben, Kurt-Eisner-Verein Bayern und dem Kulturzentrum in Selbstverwaltung "Die Ganze Bäckerei".

Termine:

14. Dezember: Krisen im Kapitalismus heute. Einblicke und Ausblicke aus politisch-ökonomischer Sicht - Dr. Athanasios Karathanassis

11. Januar: Die symbolische Macht der neoliberalen Ideologie: Diffuses bis reaktionäres Krisenbewusstsein - Martin Proißl

8. Februar: Die Kritik der Kunst des Regierens –Michel Foucault und die antitotalitäre Machtkritik - Ludwig Gasteiger

8. März: Der poststrukturalistische Feminismus und die uneigentliche Erfahrung. Versuch einer feministischen Kritik an Judith Butler - Karina Korecky 

12. April: Die Menge wird zum Fürsten – Antonio Negris/Michael Hardts postoperaistische Antwort auf die durchkapitalisierte Welt - Dr. Alexander Jungmann

10. Mai: Die Kontinuität von Subversion und bunter Enttäuschung … oder die Frage vom Umgang mit Kulturindustrie - Arbeitskreis für Kulturindustriestudien



Alle Veranstaltungen finden statt im Kulturladen in Selbstverwaltung “Die Ganze Bäckerei”, Reitmayrgäßchen 4, 86152 Augsburg. 
 www.ganze-baeckerei.tk 

Beginn ist jeweils um 19 Uhr.


Der Eintritt ist frei, Spenden erwünscht.

Mittwoch, 31. Oktober 2012

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft:

Studiengebühren endlich auch in Bayern wieder abschaffen!

Studiengebühren sind unsozial und erschweren vielen jungen Menschen den Zugang
zum Studium. Viele werden sogar ganz von einem Studium abgehalten. Nach einer
nicht veröffentlichten Studie aus Nordrhein-Westfalen sollen in der Zeit, als es dort
Studiengebühren gab, 17 000 Personen weniger ein Studium aufgenommen haben.
Auch andere Befragungen kamen zum Ergebnis, dass diese Gebühren Studierwillige
vom Studium abhalten.
Studiengebühren erhöhen den Druck auf StudentInnen, neben dem Studium Geld zu
verdienen. Mehr als zwei Drittel aller StudentInnen arbeiten zusätzlich, um ihr Studium
und ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Ein Studium in der Regelstudienzeit abzu-
schließen, ist unter solchen Bedingungen kaum möglich.
Dazu Gele Neubäcker, Vorsitzende der GEW Bayern: „Daher fordern wir die Bayeri-
sche Staatsregierung auf, Studiengebühren, die es in dieser Form nur noch in Bayern
und in Niedersachsen gibt, endlich wieder abzuschaffen und die finanzielle Verantwor-
tung für Hochschulen und Studium vollständig zu übernehmen! Gleichzeitig unterstüt-
zen wir das Volksbegehren gegen Studiengebühren als einen Schritt in die richtige
Richtung.“
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft begrüßt die Entscheidung des Bayeri-
schen Verfassungsgerichtshofes, der einem Volksbegehren gegen Studiengebühren
grünes Licht gibt. Sie beteiligt sich an dem absehbaren breiten Bündnis von Parteien,
Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Gruppen zur Unterstützung dieses
Volksbegehrens.
Neubäcker: „Allerdings ist mit der Abschaffung von Studiengebühren unsere Forderung
nach kostenfreier Bildung noch nicht erfüllt. Wir wenden uns genauso gegen „versteck-
te Studiengebühren“ wie Einschreibe- und Verwaltungsgebühren und gegen ein kos-
tenpflichtiges Zweitstudium. Außerdem weisen wir Versuche zurück, Gebühren für
Studium und Kindertagesstätten gegeneinander auszuspielen. Unsere Forderung lau-
tet: Gebührenfreie Bildung von Anfang an! Diese ist finanzierbar, wenn PolitikerInnen
endlich den Mut aufbringen für ein neues Steuerkonzept, das auch den Vermögenden
einen angemessenen Beitrag abverlangt. Dass genügend Geld vorhanden ist, belegt
u. a. ein aktueller Bericht der Bundesbank. Danach wuchs das Geldvermögen der
deutschen Haushalte in einem einzigen Jahr um 101,5 Milliarden Euro auf die Rekord-
höhe von über 4,8 Billionen Euro im zweiten Quartal 2012. Wir appellieren an die Ver-
antwortlichen in der Politik und an die Vermögenden im Land, die entsprechenden Arti-
kel im Grundgesetz: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle
der Allgemeinheit dienen.“ (Art. 14) und in der Bayerischen Verfassung: „Eigentum
verpflichtet gegenüber der Gesamtheit.“ (Art. 158) zu verinnerlichen und zur Richt-
schnur ihres Handelns zu machen!“

Siehe auch das Steuerkonzept der GEW:
http://www.gew.de/Steuerkonzept_der_GEW_solidarisch_und_effektiv.html

V.i.S.d.P. Gele Neubäcker, Vorsitzende der GEW Bayern, Schwanthalerstraße 64,
80336 München, Tel. 0171 6 23 83 67

Montag, 24. September 2012

Sudbury Schulen weltweit

Bildvortrag "Sudbury Schulen weltweit. Eine Inspiration in Zeiten des Wandels“ Wann: 26.10.2012 um 19 Uhr Wo: Zeughaus Augsburg, Hollsaal, Zeugplatz 4, 86150 Augsburg Eintritt: 5 € Voranmeldung: sudbury_augsburg@yahoo.de Da Schule eine wichtige Rolle in der Sozialisation eines Menschen darstellt, stellt sie auch einen wichtigen Faktor der Entwicklung unserer Gesellschaft dar. Wenn wir in einer Welt leben wollen, in welcher Individuen selbstbestimmt und verantwortungsvoll handeln (können), brauchen wir Bildungswege, die von Selbstbestimmung und Verantwortung geprägt sind. Es gibt vielfältige Schulmodelle und erfolgreiche Wege von selbstbestimmter Bildung und individualisiertem Lernen, die aufzeigen, dass sich Lernen als natürlicher Vorgang begriffen, wirksamer, stressfreier und nachhaltiger vollzieht. Gerade das Modell der Sudbury- Schulen setzt mit internationalen Erfahrungswerten und dem konsequentesten Ansatz selbstbestimmter Bildung und demokratischen Strukturen wichtige und wertvolle Impulse in der aktuellen Bildungsdebatte. Was sind Sudbury-Schulen? Sudbury-Schulen sind freie, demokratische Schulen, die nach dem sogenannten Sudbury-Modell arbeiten. Benannt sind sie nach der Sudbury Valley School, die vor über 40 Jahren in Framingham (Massachusetts) gegründet wurde. Heute existieren circa 40 Schulen weltweit. Die meisten von ihnen befinden sich in den USA, weitere in Kanada, Israel, Dänemark, Belgien, Deutschland, Holland und Japan. In Sudbury-Schulen werden die Grundprinzipien unserer freiheitlich- demokratischen Gesellschaft konsequent verwirklicht. Das Recht auf selbstbestimmte Bildung gilt dort ohne Einschränkung auch für Kinder und Jugendliche. Neben der freien Selbstentfaltung wird es den Schülern ermöglicht, ihre Lernumgebung auf demokratische Weise zu gestalten. Demokratie ist hier kein Unterrichtsfach, sondern täglich gelebte Praxis. Bildvortrag mit Monika Wernz Monika Wernz, Pädagogin und Künstlerin, bereiste 8 Monate mit ihrer Fotokamera verschiedene Sudbury-Schulen in unterschiedlichen Ländern der Welt. Sie erlebte die Schulen für jeweils mehrere Wochen in ihrer großen Vielfalt, mit ihrer individuellen Ausprägung, ihrer eigenen Atmosphäre, mit immer neuen Themen und Herausforderungen, immer anderen Lösungen. Durch diese Reise ist ein Bildvortrag entstanden, welcher auf außergewöhnliche Art und Weise die Atmosphäre der Schulen transportiert und es ermöglicht, das Schulkonzept von innen heraus zu erleben und zu verstehen. Der Vortrag ist an alle bildungsinteressierten Menschen, Eltern, Schüler, Pädagogen, Bildungswandler, Institute, Verbände, Schulen, Hochschulen und Unternehmer gerichtet. Er fördert das Vertrauen, jungen Menschen Selbstbestimmungs - und Mitbestimmungsrechte zuzugestehen, und wird Mut machen, neue Wege zu beschreiten. Nähere Informationen: www.monika-wernz.de

Samstag, 21. April 2012

GEW VERÖFFENTLICHT STUDIE ZUR SITUTATION DER STUDENTISCHEN BESCHÄFTIGTEN

Studentische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen nicht mehr wegzudenken - bis zu 400.000 von ihnen betreiben Literatur- und Internetrecherchen, fotokopieren, beschaffen Bücher und Zeitschriftenaufsätze in Bibliotheken, redigieren Texte, geben Daten ein, betreuen ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen in Lehrveranstaltungen und helfen bei deren Vorbereitung, sie leiten Tutorien, beaufsichtigen Klausuren, bereiten Tagungen vor, transkribieren Interviews, werten Daten aus und erstellen Statistiken, führen Laborarbeiten aus und überwachen Geräte ... Wie aber sieht die Situation der studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tatsächlich aus? Das haben Alexander Lenger, Christian Schneickert und Stefan Priebe in einer durch die Max-Traeger-Stiftung geförderten Studie untersucht, die die GEW jetzt veröffentlicht. Die Studie gibt einen einmaligen Überblick über die Lage der studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im deutschen Hochschul- und Forschungssystem. Knapp 4.000 Personen wurden befragt, darüber hinaus vorhandene Daten und Studien ausgewertet. Erstmals liegen umfassende Informationen zum Profil, zu den Beschäftigungsverhältnissen und Arbeitsbedingungen der studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor.

Die Studie belegt unter anderem: Tarifverträge wirken. Das Land Berlin ist das einzige Bundesland, in dem Arbeitgeber und Gewerkschaften einen Tarifvertrag für studentische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgeschlossen haben, der ihre Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen regelt; in allen anderen Ländern sind die studentischen Hilfskräfte explizit vom Geltungsbereich der Tarifverträge ausgeschlossen. Mit der Folge, dass die Vertragslaufzeiten in Berlin deutlich länger sind als in anderen Bundesländern und auch die Stundenlöhne der studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutlich über denen ihrer Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern liegen. Dazu passt, dass der Anteil der gewerkschaftlich organisierten studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Berlin höher ist als anderswo.

Für die studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die Qualifizierungsmöglichkeit und der Erwerbsaspekt zentral für die Aufnahme einer Stelle. Die Studie zeigt, dass neben dem Einkommen vor allem die Qualifikation und bei der Arbeit vermittelten Fähigkeiten aber auch die Einblicke in die Hochschule und das wissenschaftliche Arbeiten die entscheidenden Motive für eine Arbeit an den Hochschulen darstellen. Dies entspricht auch dem Willen der Gesetzgeber, da studentische Hilfskräfte im Bereich Forschung und Lehre eingesetzt werden müssen, in der Verwaltung hingegen dürfen sie nur als normale Angestellte beschäftigt werden. Die Realität hingegen sieht anders aus. Nur 60 Prozent der Studentinnen und Studenten arbeiten "überwiegend" im Bereich Forschung und Lehre.

Die befragten studentischen MitarbeiterInnen sind überwiegend mit ihrer Arbeit zufrieden, was nach Meinung der Autoren nicht auf die eigentlichen Beschäftigungsbedingungen zurückzuführen ist, sondern auf Vorteile im Studium, da durch das Beschäftigungsverhältnis eine bessere Integration in die Fakultät/Institut gegeben und der Kontakt zu den Professorinnen und Professoren intensiver ist. Die Studie weist ferner nach, dass studentische Beschäftigte mit einem ausländischen Pass stark unterrepräsentiert sind: Nur 2,3% der studentischen Beschäftigten waren keine Deutschen, aber 11,3% aller Studentinnen und Studenten haben einen ausländischen Pass.

Die GEW wünscht sich, dass die Forschungsergebnisse von Alexander Lenger, Christian Schneickert und Stefan Priebe dazu beitragen werden, die Diskussion über die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter voranzubringen. Daran arbeitet die Bildungsgewerkschaft GEW, die Studierende, Hochschulbeschäftigte und damit auch studentische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vertritt und als Mitglieder organisiert. Eine zentrale Forderung der GEW ist die Einbeziehung der studentischen Beschäftigten in den Geltungsbereich der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes. Die problematische Lage der studentischen Beschäftigten wirkt sich keineswegs nur auf der individuellen Ebene aus, sondern stellt vielmehr ein strukturelles Problem des deutschen Bildungswesens dar, da hier vor allem junge und hochqualifizierte Personen an Arbeitsverhältnisse gewöhnt werden, die nachhaltige Folgen für die Ansprüche an die Arbeitsbedingungen im gesamten weiteren Karriereverlauf haben - so ein zentrales Ergebnis der vorgelegten Studie.

Die Studie ist online verfügbar unter http://www.gew.de/Publikationen_Beschaeftigte_in_Hochschule_und_Forschung.html#Section26507 (4,5 MB). Außerdem kann die Studie als gedruckte Broschüre zum Preis von zwei Euro zzgl. Versandkosten bestellt werden per E-Mail an broschueren@gew.de.

Dienstag, 27. März 2012

Vortragsreihe: Kritische Theorie der Gesellschaft

Wer sich mit Gesellschaftskritik in theoretischer und/oder praktischer Hinsicht befasst, stößt früher oder später auf die 'Frankfurter Schule'. Als deren jüngere Vertreter gelten u.a. Jürgen Habermas und Axel Honneth. Die Veranstaltungsreihe widmet sich dagegen der älteren Frankfurter Schule und setzt sich u.a. mit den Arbeiten Theodor W. Adornos und Max Horkheimers auseinander. Grundlegendes Anliegen dieser ersten Generation Kritischer Theoretiker war es, den Marxismus aus seiner Versteinerung zu befreien und eine materialistische Kritik auf der Höhe der Zeit zu formulieren. So schien gegen Ende der Weimarer Republik die Marxsche Hoffnung auf das Proletariat angesichts des Erstarkens faschistischer Tendenzen nicht mehr umstandslos haltbar. In der Psychoanalyse fand die Kritische Theorie jedoch Erklärungen, warum Menschen gegen ihre objektiven Interessen handeln. Durch die Verbindung von Psychoanalyse und Marxscher Kritik der politischen Ökonomie gelangte die Kritische Theorie so zu einer differenzierteren Einschätzung der Entwicklungstendenzen ihrer Gegenwart.
Die Veranstaltungsreihe möchte in das Denken der Kritischen Theorie einführen und deren Aktualität an Hand ausgewählter Themen diskutierten. Mit der Ökonomiekritik Adornos und dem feministischen Potential der Kritischen Theorie gilt unsere Aufmerksamkeit dabei auch bisher wenig beachteten Aspekten. Die Vorträge setzen keine Vorkenntnisse voraus und sollen so auch einladen, sich erstmals mit der Kritischen Theorie zu beschäftigen.

Alle Veranstaltungen finden statt im Kulturladen in Selbstverwaltung „Die ganze Bäckerei“, Reitmayrgäßchen 4, 86152 Augsburg. www.ganze-baeckerei.tk

Veranstaltet vom AK Kritische Theorie. Mit freundlicher Unterstützung von GEW Kreisverband Augsburg und Bezirksverband Schwaben, sowie dem Kurt-Eisner-Verein Bayern

Termine:

Fr, 20.04.2012, 19.00 Uhr
Martin Proißl: Zentrale Begriffe und Motive der Kritischen Theorie 
 
Nach dem Siegeszug poststrukturalistischen und postmodernen Denkens auch innerhalb der politischen Linken, ist wieder ein Interesse an einer kritischen Gesellschaftstheorie zu beobachten, die konsequent an die Marx´sche Kritik der politischen Ökonomie anknüpft. Für die klassische Kritische Theorie von Horkheimer, Adorno und Marcuse ist nicht alles irgendwie "konstruiert", "diskursiv" oder "post-". Sie kreist vielmehr um unaufgebbare Begriffe wie Wahrheit, Vernunft und Gerechtigkeit. Ihr zentrales Motiv ist eine ganz bestimmte Praxis: die Fortsetzung der Aufklärung, die Durchsetzung gesellschaftlicher Verhältnisse, in denen die freie Entwicklung eines jeden/einer jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist. Darum ist sie in der Lage, nicht nur eine weitere "Erzählung" zum pluralen Diskursgemenge beizusteuern, sondern eine fundierte und konkrete sozialwissenschaftliche Kritik an Wirtschaft, Staat, Kulturindustrie und warenfetischistisch verblendeter Subjektivität. Der Vortrag führt in die Kritische Theorie ein und erläutert entlang der zentralen Begriffe von Wahrheit, Vernunft und Gerechtigkeit die grundlegenden Züge ihrer praxisphilosophisch motivierten Kritik.


Fr, 04.05.2012, 19.00 Uhr

Dirk Braunstein: Ökonomiekritik und Utopie bei Theodor W. Adorno


Als Philosoph, Soziologe, Musikwissenschaftler, Kunsttheoretiker und ungerechtfertigterweise vor allem als Kulturkritiker ist Adorno als ein Klassiker des europäischen Geisteslebens nach dem Tode fest etabliert, und dies nicht nur in den Wissenschaften, sondern auch im Kulturbetrieb selbst. Daß er ein radikaler Kritiker der kapitalistischen Produktionsverhältnisse war, kommt allerdings in den allermeisten Referenzen nur als Randnotiz pflichtschuldig zur Sprache; daß er sich mit ökonomischen Belangen aufgehalten habe, wird selbst von wohlmeinenden KommentatorInnen entweder bestritten oder im Vergleich zu seinen Leistungen auf anderen Gebieten bagatellisiert. So sagt Jürgen Habermas: »Mit politischer Ökonomie hat sich Adorno nie befaßt.« Durchaus typische Einschätzungen wie diese legen den Verdacht nahe, daß die Adorno-Forschung sich ihrerseits zwar mit allem möglichen befaßt, aber ausgerechnet jene Theorieansätze entweder als pessimistisch abgetan oder schlicht ignoriert hat, die auf Kritik und Veränderung der bestehenden Gesellschaft hinauswollen.



Fr, 18.05.2012, 19.00 Uhr
Barbara Umrath: „Keine Emanzipation ohne die der Gesellschaft“ –
Geschlecht(erverhältnis) und Kritische Theorie

Wenn man von der Kritischen Theorie spricht, kommen autoritärer Charakter, Dialektik der Aufklärung und Kulturindustrie in den Sinn. Dass die Gesellschaftskritik der frühen Kritischen Theorie auch eine geschlechtertheoretische Dimension hat, findet kaum Beachtung. Zugegeben:Geschlechtwar für Adorno, Horkheimer und Co. keine zentrale Analysekategorie, sondern findet eher beiläufig und an verschiedenen Stellen immer wieder Erwähnung. Dabei stehen Passagen, in denen die Unterdrückung von Frauen denunziert wird neben solchen, in denen die bürgerliche Familie in einem verklärten Licht erscheint. Dies brachte der Kritischen Theorie von feministischer Seite den Vorwurf ein, sie wiederhole die patriarchale Unterdrückung. In Zeiten wie diesen, in denen der Begriff Feminismus für wenig mehr steht als die Forderung nach Frauenquoten, erhält die Kritik der frühen Kritischen Theorie jedoch besondere Aktualität. Im Vortrag soll gezeigt werden, dass ein gesellschaftskritischer Feminismus von dieser wichtige Impulse aufnehmen kann.


Fr, 22.06.2012, 19.00 Uhr
Marc Grimm: Kritische Theorie des Rassismus und Antisemitismus

Schon die nur oberflächliche Auseinandersetzung mit Literatur und Studien zu Rassismus und Antisemitismus macht augenscheinlich, dass Adorno, Horkheimer und Löwenthal heute eine wenig glorreiche Rolle zufällt. Kaum ein Autor ignoriert die Schriften der Kritischen Theorie zu Antisemitismus und Rassismus. Gelobt wird ihr Pioniergeist, vor allem hinsichtlich der Studien zum autoritären Charakter. Zugleich fällt auf, dass die verwendeten Begriffe und theoretischen Ansätze allenfalls noch als Objekte historischer Untersuchungen von Wert sein sollen. Dabei besteht deren Aktualität gerade darin, dass sie Rassismus und Antisemitismus in Bezug auf die wert- und warenproduzierende Gesellschaft erklären und diese nicht blind vorausgesetzt wird. Im Vortrag wird die Kritische Theorie des Rassismus und Antisemitismus im Lichte aktueller Studien diskutiert.

Mittwoch, 14. März 2012

Aufruf zu einer bundesweiten Aktionswoche für Zivilklauseln, 1.- 8. Mai 2012

Mit den Waffen des Geistes gegen den Geist der WaffenHochschulen für den Frieden!

Wir, die Initiative „Hochschulen für den Frieden – Ja zur Zivilklausel“, rufen Studierende, Lehrende, Hochschulmitarbeiter*innen und gesellschaftliche Kräfte auf, sich an der Aktionswoche für zivile und friedliche Wissenschaften vom 1. bis 8. Mai 2012 zu beteiligen und Aktivitäten vor Ort zu initiieren. Mit dem Tag der Arbeit und dem Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus stellen wir uns in die Tradition des weltweiten Engagements für die humane und zivile Entwicklung der Gesellschaft.

Gerade in globalen Krisenzeiten: Die Hochschulen stehen in der Verantwortung, zur Lösung der drängenden gesellschaftlichen Probleme beizutragen. Die Ergründung der Ursachen von Kriegen sowie der Bedingungen von Frieden, die Überwindung weltweiter sozialer Ungleichheit und ökologischer Zerstörung, zivile Konfliktbearbeitung und Völkerverständigung, internationale Abrüstung sowie die Konversion von Kriegs- in Friedensproduktion sind dringende Aufgaben, auch für die Wissenschaft. Diese muss für eine nachhaltige und humane Entwicklung und menschenwürdige Gestaltung der Lebensbedingungen weltweit eintreten. Die Abhängigkeit der wissenschaftlichen Einrichtungen von privaten Geldgebern gerade aus dem Bereich der Rüstungsindustrie und des Militärs verdrängt die intellektuellen Bemühungen einer wissenschaftlichen Tätigkeit im Interesse der Allgemeinheit.

Bundesweit stößt die Indienstnahme von Forschung und Lehre für den Krieg zunehmend auf das Engagement von Hochschulaktiven für eine Wissenschaft, die zu einer zivilen, sozialen, demokratischen und nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft beiträgt. Am KIT in Karlsruhe, an der Uni Köln, der FU Berlin und der Uni Frankfurt haben sich bei Urabstimmungen deutliche Mehrheiten der Studierenden für eine strikt zivile und friedenschaffende Orientierung der Wissenschaft (Zivilklausel) ausgesprochen; mehrere Hochschulen haben Zivilklauseln. Die Universität Bremen hat ihre Zivilklausel gerade gegen den Druck eines Rüstungsunternehmens bekräftigt.

Wir rufen bundesweit zu vielfältigen Aktionen zwischen dem 1. Mai und den 8. Mai auf, zu öffentlichen Veranstaltungen, Seminaren, Aufklärungs- und Protestaktionen, Pressekonferenzen und Diskussionen mit Politik und Universität über die gesellschaftliche Verantwortung der Wissenschaft. Mit den Waffen des Geistes gegen den Geist der Waffen können alle kooperativ für eine humane und zivile Gestaltung der Welt lernen, forschen und arbeiten.



Kontakt:

Hochschulen für den Frieden – Nein zur Kriegsforschung! Ja zur Zivilklausel
c/o NatWiss, Naturwissenschaftler-Initiative für Frieden und Zukunftsfähigkeit
Schützenstrasse 6a
10117 Berlin
geschaeftsfuehrung@natwiss.de
www.natwiss.de
Tel.: +49 / 30 / 3199 6686
Fax: +49 / 30 / 3199 6689

AStA der TU Braunschweig
Katharinenstraße 1
38106 Braunschweig
asta@tu-bs.de
www.asta.tu-bs.de
+49 / 531 / 391 - 4555

Die Initiative Hochschule für den Frieden ist ein Bündnis von Studierendenschaften, studentischen Initiativen, Gewerkschaften sowie Friedens- und Wissenschaftsorganisationen. Weitere Infos unter: www.zivilklausel.org

Montag, 12. März 2012

"Fachkräftemangel bekämpfen, Erziehungswissenschaft ausbauen!"

Bildungsgewerkschaft zieht Schlussfolgerungen aus neuem Datenreport der DGfE

Frankfurt am Main/Osnabrück - Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) macht sich für einen Ausbau der Erziehungswissenschaften an den deutschen Hochschulen stark. "Auf der einen Seite steuert Deutschland auf einen handfesten Fachkräftemangel in vielen pädagogischen Berufen zu, auf der anderen Seite werden an den Universitäten kontinuierlich erziehungswissenschaftliche Lehrstühle abgebaut. Dieser Widerspruch muss endlich aufgelöst werden", erklärte GEW-Vorstandsmitglied Andreas Keller aus Anlass der Eröffnung des 23. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) am Montag in Osnabrück. Nach Berechnungen des "Datenreports Erziehungswissenschaft 2012" seien von 1995 bis 2010 rund 15 Prozent der Professuren abgebaut worden.

"Mit der Politik des Abbaus von Professorenstellen verschärfen Länder und Hochschulen nicht nur den Fachkräftemangel im Bildungssystem. Sie verschlechtern damit auch die Bildungschancen der jungen Generation, die auf hoch qualifizierte Pädagoginnen und Pädagogen in den Bildungseinrichtungen angewiesen ist. Eine Gesellschaft, die an ihrer Erziehungswissenschaft spart, stellt ihre eigene Zukunftsfähigkeit in Frage", sagte Keller.

Mit Sorge beobachtet der GEW-Hochschulexperte die Verlagerung von Lehraufgaben von Professorinnen und Professoren auf den akademischen Mittelbau. "Von 2006 bis 2010 hat sich die Zahl der befristet beschäftigten Lehrkräfte für besondere Aufgaben (LfBA) in der universitären Erziehungswissenschaft um fast 50 Prozent erhöht; gleichzeitig werden unbefristete Beschäftigungsverhältnisse systematisch abgebaut. Darunter leidet nicht nur die Qualität der Lehre, sondern auch die der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses", kritisierte Keller. Auf den LfBA-Stellen würden in der Regel junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eingestellt, die zusätzlich zu bis zu 18 Wochenstunden Lehrverpflichtung ihre Doktorarbeit schreiben sollten. "Mit dieser Praxis müssen die Unis Schluss machen: Wir brauchen mehr Professuren für Daueraufgaben in der Lehre und faire Beschäftigungsbedingungen und Karriereperspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs."

Info:

Aus Anlass ihres 23. Kongresses vom 12. bis 14. März 2012 in Osnabrück hat die DGfE den "Datenreport Erziehungswissenschaft 2012" vorgelegt. Die Erstellung des Datenreports wurde von der GEW-nahen Max-Traeger-Stiftung gefördert und ist im Verlag Babara Budrich (Opladen) erschienen. Die Bildungsgewerkschaft ist Mitglied der DGfE und präsentiert sich in Osnabrück mit einem Ausstellungsstand (Erweiterungsbau der Universität, S 13) und mit dem traditionellen GEW-Abend.

Weitere Informationen zum DGfE-Kongress: http://www.dgfe2012.de/. Der Datenreport ist im Buchhandel erhältlich: Werner Thole u.a. (Hrsg.): Datenreport Erziehungswissenschaft 2012. Opladen 2012.

Mittwoch, 7. März 2012

Auch die GEW Bayern ruft zu Warnstreiks am 8. März auf!

Nachdem die erste Verhandlungsrunde für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen erst gar nicht richtig losging, ruft auch die GEW Bayern ihre Mitglieder für den 8. März 2012 gezielt zu einem Warnstreik in München, Nürnberg, Fürth, Erlangen und Regensburg auf. Anstatt ein Angebot vorzulegen, verlangte die Arbeitgeberseite als Vorbedingung, dass die Gewerkschaften ihre Forderung reduzieren.

"Rettungsschirme für Banken über horrende Summen, ein Ehrensold von fast 200.000 Euro im Jahr für einen gescheiterten Bundespräsidenten, aber kein Verständnis für die berechtigten Forderungen all der Menschen, die tagtäglich dafür sorgen, dass andere Menschen (aus-)gebildet, betreut und unterstützt werden. Wie müssen Beschäftigte sich fühlen, die einen erheblichen Beitrag für einen funktionierenden Alltag leisten und denen man alle Jahre wieder das gleiche Lied der "leeren Kassen" vorsingt, während Billionen für wirtschaftliche Interessen und für Börsengeschäfte verwendet werden?" fragt Elke Hahn, Geschäftsführerin der GEW Bayern.

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beinhaltet ein Rechts- UND Sozialstaatsgebot. Doch leider verliert die soziale Seite in dieser Gleichung seit Jahrzehnten an Bedeutung. Die Debatte um "leere Kassen" verschleiert, dass Geld genug da ist. Davon wollen die Beschäftigten im öffentlichen Dienst ihren berechtigten Anteil. Die Gewerkschaften fordern 6,5 Prozent, mindestens aber 200 Euro mehr Gehalt - eigentlich Peanuts angesichts dessen, was sonst so möglich ist in diesem Land!

"Es ist ein trauriges Bild einer angeblich fortschrittlichen und weit entwickelten Zivilgesell-schaft im 21. Jahrhundert, der es nicht gelingt, endlich den Themen gute Erziehung, Bildung, soziale Arbeit und Betreuung den Stellenwert einzuräumen, der ihnen gebührt", so Elke Hahn.
Im Organisationsbereich der GEW Bayern sind nicht nur die Kitas und Einrichtungen der Jugend- und Behindertenhilfe von der Tarifrunde erfasst, sondern auch die angestellten Lehrkräfte an kommunalen Schulen.

Die Streikaufrufe mit Angaben zu den Streikorten und -planungen finden Sie auf der Homepage der GEW Bayern www.gew-bayern.de sowie weitere Informationen auf http://www.gew-tarifrunde-tvoed.de/Page16958.html

V.i.S.d.P. Elke Hahn, Geschäftsführerin GEW Bayern, Schwanthalerstraße 64, 80336 München



Mittwoch, 29. Februar 2012

Wo Marx recht hat

14. März 2012, 19:30 Uhr
Neue Stadtbücherei, Ernst-Reuter-Platz 1
Wo Marx recht hat
Vortrag und Diskussion mit Fritz Reheis zu einem aktuellen Thema in der Neuen Stadtbücherei.


Hochaktuell seit 150 Jahren.
"Marx ist tot, Jesus lebt!" jubilierte Bundesarbeitsminister Norbert Blüm vor Danziger Werftarbeitern. Doch nicht erst seit der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise erlebt Karl Marx weltweit eine Renaissance.
Fritz Reheis eröffnet in seinem Vortrag überraschende Perspektiven auf Wirtschaft und Gesellschaft im 21. Jahrhundert.
Alles weitere.
Eine Veranstaltung des DGB Augsburg, DGB-Bildungswerk und der Buchhandlung am Obstmarkt.

Freitag, 13. Januar 2012

Tagesseminar - Aktuelle Bestandsaufnahme: "Rechte Entwicklungen und Antifaschismus" am 11.02.12

DGB Augsburg

Seminarinhalte:
- Rechte Entwicklungen: der spezifisch gewerkschaftliche Zugang
- Aktuelle Entwicklungen und Tendenzen im Neofaschismus
- Zum Neofaschismus in der Region Augsburg
- Antifaschismus - Inhaltliche Kontroversen und Handlungsansätze

Referenten:
Robert Andreasch (Journalist)
Harald Munding (VVN-BdA)
Wolfgang Veiglhuber (DGB Bildungswerk Bayern)

10:00 bis 17:30, die Teilnahme ist nur nach Anmeldung möglich
Weitere Infos

Donnerstag, 12. Januar 2012

Chile: Für ein sozial gerechtes Bildungswesen

Veranstaltungen am 07.02.2012 in München mit einer Delegation der StudierendenvertreterInnen aus Chile

Wer in Chile studieren will, muss entweder viel Geld haben oder sich verschulden. Nur Kinder reicher Eltern können sich in dem 17 Millionen Einwohner Land eine gute Ausbildung leisten. Die monatlichen Studiengebühren an den Hochschulen betragen zwischen 250 und 860 Dollar. Doch drei Viertel aller Chilenen müssen mit weniger als 700 Dollar im Monat über die Runden kommen. Das chilenische Bildungswesen ist überwiegend in privater Hand – eine Folge der neoliberalen Politik des verstorbenen Diktators Pinochets, der in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts die Gründung privater Schulen und Universitäten forciert und öffentliche Ausgaben für Bildung gekürzt hat. Nur noch ein Viertel der Kosten des Bildungswesens wird heute in Chile vom Staat finanziert - so wenig wie in keinem anderen OECD-Land. Drei Viertel der Kosten müssen Schüler und Studenten bzw. deren Eltern selbst tragen. Die Folge ist, dass Absolventen die Hochschulen mit durchschnittlich 60.000 Dollar Schulden verlassen.

Seit Mai 2011 nun protestieren Studierende, Schüler und Lehrkräfte in Chile gegen ein Bildungssystem, dass nicht nur die Armen ausschließt, sondern auch den Kindern der in den letzten Jahrzehnten gewachsenen Mittelschicht die Perspektiven versperrt. Hochschulen wurden besetzt, Studenten traten in den Hungerstreik. Hunderttausende gingen in den vergangenen Monaten in der Hauptstadt Santiago de Chile und anderen Städten des Landes auf die Straße, um für Reformen im Bildungswesen, die Abschaffung der Studiengebühren und eine bessere Ausstattung staatlicher Schulen und Universitäten zu demonstrieren. Achtzig Prozent der chilenischen Bevölkerung unterstützen diese Forderungen. Die konservative Regierung unter Präsident Piñera gerät zunehmend unter Druck. Ende September hatte sie in einer kurzen Verhandlungsphase mit Vertretern der Studierenden versucht, den Protesten durch Zugeständnisse bei Studienkrediten und Stipendien die Spitze zu nehmen. Über deren wichtigste Forderungen - ein staatlich finanziertes und frei zugängliches Bildungswesen sowie ein Verbot der auf Gewinn ausgerichteten Privathochschulen – war sie jedoch nicht bereit zu verhandeln.

Seitdem eskalieren die Auseinandersetzungen. Immer wieder kam es in den vergangenen Wochen zu Straßenschlachten mit der Polizei, die mit großer Härte und Massenverhaftungen gegen die Demonstranten vorgeht. Noch kurz vor Weihnachten waren in Santiago de Chile und in der Hafenstadt Valparaíso bei Zusammenstößen von Demonstranten und Sicherheitskräften dreißig Personen verletzt worden. Die Zustimmungswerte für Staatspräsident Piñera befinden sich inzwischen auf einem Tiefpunkt. Nur noch ein Viertel der Chilenen ist mit der Arbeit ihres Staatsoberhauptes zufrieden. Ende Dezember musste dessen Bildungsminister Felipe Bulnes nach nur sechs Monaten im Amt zurücktreten. Er hatte sich für eine harte Haltung gegenüber den Forderungen der Demonstranten eingesetzt und wurde für die zunehmende Gewalt verantwortlich gemacht. Als sein Nachfolger wurde der Wirtschaftsingenieur Harald Beyer vereidigt, der jedoch ebenso eine kostenlose staatliche Bildung für alle ablehnt. Stattdessen erregte er gleich neuen Unmut mit der Forderung, in Schulbüchern das Wort "Diktatur" für die Zeit des Pinochetregimes nicht mehr zu verwenden. Für das neue Jahr haben die Studenten weitere Proteste angekündigt.

Auf Einladung der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft werden die chilenischen Studentenvertreterinnen Camila Vallejo und Karol Oliva und der Gewerkschafter Jorge Murúa Saavedra vom 27. Januar bis 8. Februar zu Besuch in Deutschland sein, um auf Veranstaltungen in Dresden, Frankfurt, Würzburg, Bremen, Hamburg, Braunschweig, München und Berlin über ihre Kämpfe und Forderungen für ein sozial gerechtes Bildungswesen in Chile zu berichten.


Camila Vallejo (23) studiert Geographie und ist Vizepräsidentin der Federación de Estudiantes de la Universidad de Chile (FECh).

Karol Oliva (24) studiert Geburtshilfe an der Universidad de Concepción und ist Generalsekretärin der Juventudes Comunistas de Chile

Jorge Murúa Saavedra (35) ist Vorstandsmitglied der Metallgewerkschaft CONSTRAMET und des chilenischen Gewerkschaftsbundes CUT

Text: Manfred Brinkmann
Fotos: FECh, CONSTRAMET, Karol Oliva